Sortengärten
Vergessene Vielfalt - Altbewährte Obstsorten
Die älteren Streuobstbestände in Südniedersachsen beherbergen viele alte Obstsorten, die sich im Laufe der letzten Jahrhunderte unter den spezifischen regionalen Standortsbedingungen bewährt haben. Sie bieten eine außerordentliche Formen-, Farben- und Geschmacksvielfalt und sind Träger wichtiger Eigenschaften im Hinblick auf Haltbarkeit, Verwertungsmöglichkeiten und Krankheitsresistenz. Das macht die alten Obstsorten zu einem wichtigen Kulturgut, das es für die Zukunft zu sichern gilt.
Das LPV-Sortengartenprojekt
Hierzu wurde 1997 das Projekt "Streuobst-Sortengärten" durch den Landschaftspflegeverband im Landkreis Göttingen ins Leben gerufen. Mit Hilfe von Mitgliedern des Pomologen-Vereins e.V. (www.pomologen-verein.de), insbesondere Hans-Joachim Bannier und Annette Braun-Lüllemann, erfolgte in den letzten Jahrzehnten die systematische Bestimmung und Erfassung der Obstsorten in den Streuobst-Altbeständen des Kreises. Sofern die aufgefundenen Sorten nicht mehr aus Baumschulen bezogen werden konnten, wurden zu ihrer Erhaltung von den Mutterbäumen Reiser geschnitten und an lokale Baumschulen zur Aufschulung auf junge Hochstämme gegeben. Auch sehr seltene oder noch nicht identifizierte Sorten konnten dadurch gesichert werden.
Alte Sorten auf jungen Bäumen
Mit diesen Jungbäumen wurden an mehreren Standorten im Landkreis neue Hochstamm-Obstwiesen angelegt. Darunter befinden sich 11 Hektar Eigentumsflächen des Landschaftspflegeverbandes in den Gemeinden Friedland und Rosdorf sowie der Stadt Hann. Münden. Auf 853 hochstämmigen Obstbäumen wachsen dort 288 verschiedenen Obstsorten. Darunter befinden sich zahlreiche bisher nicht identifizierbare (Regional-)Sorten. Es gibt 69 Apfel-, 20 Birnen-, 144 Süßkirsch- und 11 Sauerkirschsorten, 41 Pflaumenartige sowie einige Exemplare Walnuss und Speierling.
Große mitteldeutsche Kirschsammlung
Auf weiteren zwei Hektar Fläche bei Reiffenhausen entstanden etwa 130 Süßkirsch-Mehrsortenbäume. Das Sortenspektrum umfasst neben dem mitteldeutschen Süßkirsch-Sortiment auch Herkünfte aus anderen Kirschanbauregionen Deutschlands. Diese bundesweite Kirschsorten-Arche entstand unter maßgeblicher Planung und Organisation durch die Steinobst-Pomologin Annette Braun-Lüllemann aus dem Eichsfeldkreis. Alle Sonderveredlungen in dieser Fläche wurden vom Baumschulmeister Markus Koch aus Hofgeismar durchgeführt.
Eine Arche für alte Obstsorten
Weitere Sortengärten entstanden in Göttingen-Weende und Duderstadt-Herbigshagen in Kooperation mit der Stiftungsuniversität Göttingen bzw. der Heinz Sielmann Stiftung.
Insgesamt wurde so die Idee der "Arche Noah für Obstsorten" in den letzten 20 Jahren mit inzwischen 1700 Bäumen auf etwa 20 Hektar Fläche in die Tat umgesetzt. Die In-situ-Sortenerhaltung "am Ort des Vorkommens" bietet gleichzeitig auch ein Schaufenster zum Erleben der Streuobstkultur als Teil des bäuerlichen Wirtschaftens früherer Generationen. Die Vielfalt der Geschmackserlebnisse und Verwendungszwecke lässt sich wiederentdecken und in Wert setzen und auch für schulische Bildung und Erlebnispädagogik verwenden. Außerdem werden die Wiesen für Obstbaumschnittkurse und die Ausbildung neuer Obstbaumwarte genutzt.
Durch die Abgabe von Reisern der geprüften Sorten an Interessierte sollen sie sich über diese Arche hinaus wieder in den Streuobstwiesen der Region verbreiten. Reiserschnitt darf nur in Absprache mit dem LPV erfolgen.
Eine Gesamtliste der Obstsorten in den Sortengärten findet sich auf der Homepage des Landschaftspflegeverbands unter Downloads.